Scheinselbstständigkeit: Merkmale, Risiken und Folgen
Was ist Scheinselbstständigkeit?
Scheinselbstständigkeit liegt vor, wenn eine Person formal als selbstständiger Auftragnehmer auftritt, tatsächlich aber wie ein Arbeitnehmer in die Betriebsabläufe des Auftraggebers eingegliedert ist. Das bedeutet, dass der vermeintlich Selbstständige arbeitsrechtlich als Arbeitnehmer gilt – mit allen damit verbundenen Rechten und Pflichten.
Ob eine Scheinselbstständigkeit vorliegt, hängt nicht von der vertraglichen Bezeichnung ab, sondern von der tatsächlichen Ausgestaltung der Zusammenarbeit. Werden die Merkmale eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses erfüllt, kann eine Umqualifizierung in ein reguläres Arbeitsverhältnis erfolgen.
Rechtsgrundlagen der Scheinselbstständigkeit
Die rechtliche Bewertung der Scheinselbstständigkeit basiert auf verschiedenen gesetzlichen Regelungen und gerichtlichen Entscheidungen. Die wichtigsten Grundlagen sind:
1. Sozialgesetzbuch (SGB IV)
Gemäß § 7 Abs. 1 SGB IV liegt ein Beschäftigungsverhältnis vor, wenn eine Person weisungsgebunden arbeitet und in die Arbeitsorganisation des Auftraggebers eingegliedert ist. Entscheidend ist das Gesamtbild der Tätigkeit.
2. Gewerbeordnung (GewO) und Handelsgesetzbuch (HGB)
Selbstständige benötigen grundsätzlich eine Gewerbeanmeldung und müssen unternehmerische Risiken tragen. Fehlen diese Merkmale, kann eine Scheinselbstständigkeit vorliegen.
3. Arbeitsrechtliche Grundsätze
Das Bundesarbeitsgericht (BAG) und die Deutsche Rentenversicherung (DRV) bewerten Scheinselbstständigkeit anhand von Kriterien wie Weisungsgebundenheit, Integration in den Betrieb und wirtschaftlicher Abhängigkeit.
Merkmale der Scheinselbstständigkeit
Ob eine Person tatsächlich selbstständig oder scheinselbstständig tätig ist, wird anhand bestimmter Kriterien geprüft:
1. Weisungsgebundenheit
Ein klares Indiz für eine Scheinselbstständigkeit ist eine ausgeprägte Weisungsgebundenheit. Das bedeutet, dass der Auftragnehmer Vorgaben zu Arbeitszeit, Arbeitsort oder Arbeitsweise einhalten muss.
2. Eingliederung in die Betriebsorganisation
Wird der Auftragnehmer in betriebliche Abläufe integriert, z. B. durch regelmäßige Teammeetings oder eine feste E-Mail-Adresse im Unternehmen, spricht dies für eine abhängige Beschäftigung.
3. Keine unternehmerische Entscheidungsfreiheit
Echte Selbstständige tragen ein wirtschaftliches Risiko, nutzen eigene Betriebsmittel und sind frei in der Gestaltung ihrer Arbeit. Fehlen diese Merkmale, kann eine Scheinselbstständigkeit vorliegen.
4. Tätigkeit für nur einen Auftraggeber
Eine ausschließliche oder überwiegende Tätigkeit für nur einen Auftraggeber über einen längeren Zeitraum spricht gegen eine selbstständige Tätigkeit und erhöht das Risiko einer Umqualifizierung.
5. Kein eigenes Personal
Wer als Selbstständiger arbeitet, aber keine eigenen Mitarbeiter oder Subunternehmer beschäftigt, läuft Gefahr, als scheinselbstständig eingestuft zu werden.
Risiken und rechtliche Folgen der Scheinselbstständigkeit
Die Feststellung einer Scheinselbstständigkeit hat erhebliche arbeits- und sozialversicherungsrechtliche Konsequenzen für beide Seiten:
1. Nachzahlung von Sozialversicherungsbeiträgen
Stellt die Deutsche Rentenversicherung eine Scheinselbstständigkeit fest, müssen rückwirkend Sozialversicherungsbeiträge für bis zu vier Jahre nachgezahlt werden. Bei vorsätzlicher Umgehung drohen Nachzahlungen für bis zu 30 Jahre.
2. Arbeitsrechtliche Ansprüche
Ein scheinselbstständiger Auftragnehmer kann als Arbeitnehmer eingestuft werden und damit Anspruch auf Kündigungsschutz, Urlaubsansprüche, Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall und andere arbeitsrechtliche Vorteile haben.
3. Steuerliche Konsequenzen
Das Finanzamt kann Lohnsteuer nachfordern, wenn sich herausstellt, dass es sich um ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis handelt. Zudem drohen Säumniszuschläge und steuerliche Nachforderungen.
4. Strafrechtliche Folgen
Die illegale Umgehung von Sozialabgaben kann als Vorenthalten von Sozialversicherungsbeiträgen (§ 266a StGB) strafbar sein. In schweren Fällen drohen Geldstrafen oder Freiheitsstrafen.
Prüfung durch die Deutsche Rentenversicherung
Ob eine Scheinselbstständigkeit vorliegt, kann im Rahmen einer Statusfeststellung durch die Deutsche Rentenversicherung überprüft werden.
1. Statusfeststellungsverfahren
Das Statusfeststellungsverfahren (§ 7a SGB IV) kann von Auftraggeber oder Auftragnehmer beantragt werden, um Klarheit über den sozialversicherungsrechtlichen Status zu erhalten.
2. Betriebsprüfung
Im Rahmen einer Betriebsprüfung kann die Rentenversicherung rückwirkend überprüfen, ob ein Beschäftigungsverhältnis vorliegt und gegebenenfalls Beiträge nachfordern.
Tipps zur Vermeidung von Scheinselbstständigkeit
Um das Risiko einer Scheinselbstständigkeit zu minimieren, sollten folgende Maßnahmen beachtet werden:
- Auftragnehmer sollten für mehrere Kunden arbeiten und nicht von einem einzigen Auftraggeber abhängig sein.
- Verträge sollten klar regeln, dass der Selbstständige eigene Arbeitsmittel nutzt und frei über Arbeitszeit und -ort entscheidet.
- Eine regelmäßige Prüfung durch einen Rechtsanwalt oder Steuerberater kann helfen, Risiken frühzeitig zu erkennen.
Kontaktieren Sie uns bei Fragen zur Scheinselbstständigkeit
Wenn Sie unsicher sind, ob Ihr Arbeitsverhältnis als selbstständig oder scheinselbstständig eingestuft werden könnte, kontaktieren Sie uns für eine unverbindliche Beratung. Nutzen Sie unser Kontaktformular oder rufen Sie uns direkt an!